Darm-Mikrobiom: Grundlegende Erkenntnisse zur Dysbiosen und deren Behandlung
Zunächst muss ich hier erwähnten, dass das Mikrobiom unserer Pferde nicht besonders gut erforscht ist. Wir wissen nicht einmal besonders viel über das menschliche Mikrobiom, alle anderen Säugetiere sind noch weniger erforscht als wir. Deshalb (und ohnehin) ist jede wissenschaftliche Erkenntnis zum Mikrobiom als aktueller Zwischenstand einzuordnen und es ist wichtig, weiterhin gesunden Menschenverstand und Beobachtung an erste Stelle zu stellen. Besonders dein eigenes Pferd kennst du selbst am besten, deshalb höre neben aller wissenschaftlichen Untermauerung bitte immer auf dein Bauchgefühl.
Natürlich haben wissenschaftliche Studien dennoch eine wichtige Aussagekraft, sonst würde ich sie hier ja gar nicht anführen und mir auch nicht so genau ansehen. Also schauen wir mal, welche Infos es so gibt:
Zusammensetzung
Das Darmmikrobiom von Pferden, insbesondere der Dickdarm, ist reich an verschiedenen Mikroorganismen, darunter Bakterien, Viren, Archaeen, Pilze und Parasiten. Unter diesen sind Bakterien am besten erforscht und spielen eine entscheidende Rolle für die Homöostase. Firmicutes sind in den meisten Studien das dominanteste Phylum im Darmmikrobiom von Pferden, gefolgt von Bacteroidetes. Einige Studien zeigen jedoch, dass Verrucomicrobia an zweiter Stelle nach Firmicutes stehen. Diese Diskrepanz unterstreicht die interindividuelle Variabilität des Pferde-Darmmikrobioms.
Hierbei ist anzumerken, dass die meisten Untersuchungen lediglich auf (rektal entnommene) Kotproben zurückgreifen, um das Mikrobiom zu untersuchen.
Störanfälligkeit des Mikrobioms und Dysbiosen
Was bedeutet Dysbiose?
Eine Dysbiose ist ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung der Darmflora (dem Mikrobiom), also der Gemeinschaft von Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen und Pilzen, die im Darm leben. Normalerweise existiert im Darm eine ausgewogene Mischung „guter“ und „schlechter“ Bakterien, die eine wichtige Rolle für die Verdauung, das Immunsystem und die allgemeine Gesundheit spielen.
Wenn jedoch dieses Gleichgewicht gestört ist, kann das als Dysbiose bezeichnet werden. Eine Dysbiose kann dazu führen, dass „schlechte“ Bakterien oder andere Mikroorganismen überhandnehmen, während die nützlichen Mikroorganismen abnehmen. Dies kann Verdauungsprobleme wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung verursachen und die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen.
Auch das Immunsystem wird in Mitleidenschaft gezogen, da ein Großteil der Immunabwehr im Darm stattfindet. Bei Pferden kann eine Dysbiose durch falsche Fütterung, Futterumstellungen, Stress, Medikamente (wie Antibiotika) oder sogar auch durch ungeeignete Weidegräser ausgelöst werden und zu Problemen wie Kotwasser, Koliken, Hufrehe oder Hautproblemen führen.
Laut Studienlage beeinflussen verschiedene Faktoren die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, darunter Alter, Ernährung, Antibiotika-Gabe und geografische Lage. Die Bestimmung einer Dysbiose beim Pferd ist komplex, da es an einer klaren Definition für ein „optimales“ oder „gesundes“ Mikrobiom mangelt.
Die große intra- und interindividuelle Variabilität des Mikrobioms erschwert die Interpretation. Obwohl ein eindeutiger kausaler Zusammenhang zwischen Darmdysbiose und Krankheiten beim Pferd noch nicht vollständig geklärt ist, deuten neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass Dysbiose eine Rolle bei der Entstehung verschiedener Erkrankungen wie Kolitis, Hufrehe und Asthma spielen könnte. Aus der Humanforschung ist bekannt, dass über die sogenannte Darm-Hirn-Achse Autismus, Parkinson und Alzheimer durch Dysbiosen im Darm ausgelöst werden können.
Wenn eine Dysbiose länger besteht, dann kann das dazu führen, dass die Darmschleimhaut durchlässiger wird, sodass nicht nur wichtige Nährstoffe, sondern auch Toxine oder andere schädliche Partikel in den Blutkreislauf und den gesamten Körper gelangen können. Dadurch wird der gesamte Stoffwechsel zusätzlich negativ belastet, woraus wiederum Unverträglichkeiten, Allergien und chronische Entzündungsprozesse ausgelöst oder gefördert werden können. Hieraus werden auch bei Pferden dann vielfältige chronische Krankheitsprozesse begünstigt.
Wenn in einer solchen Entwicklung viele Toxine den Körper „fluten“, lagern sich diese im Gewebe in der Zellzwischenraumflüssigkeit an und beeinträchtigen die natürlichen Stoffwechselprozesse. Es entstehen schleichende Vergiftungsprozesse, die Entgiftungsorgane – insbesondere Leber und Nieren – müssen fortlaufend stärker arbeiten. Die fortlaufende Zusatzbelastung geht zu Lasten aller körperlichen Prozesse.
Das kann sich zunächst in einem schlechteren Allgemeinbefinden, stumpferem Fell, vermehrt tränenden Augen, Infektanfälligkeit, Abgeschlagenheit oder muskulären Problemen niederschlagen – um nur einige Beispiele zu nennen.
Prä- und Probiotika für Pferde?
Prä- und Probiotika sind Elemente, die die Darmgesundheit und das Immunsystem unterstützen können.
Probiotika
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, meist Bakterien, die eine positive Wirkung auf die Darmflora und somit auf die allgemeine Gesundheit haben sollen, indem sie das Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm, bei der Verdauung unterstützen und helfen, unerwünschte Keime zu verdrängen. Beispiele sin:me Lactobacillus-Arten, Bifidobacterium-Arten, Enterococcus faecium.
Theoretische Wirkungsweise: Sie fördern die Verdauung, stärken das Immunsystem, verbessern die Nährstoffaufnahme und unterstützen bei der Regeneration der Darmflora, besonders nach Stress oder antibiotischen Behandlungen.
Präbiotika
Präbiotika hingegen sind keine lebenden Organismen, sondern Ballaststoffe oder bestimmte Kohlenhydrate (z.B. Fructo-Oligosaccharide und Inulin), die als “Nahrung” für die nützlichen Darmbakterien dienen. Sie fördern das Wachstum und die Aktivität dieser Bakterien und tragen so zu einer gesunden Darmflora bei. Beispiele für Präbiotika sind Inulin (oft aus Chicorée gewonnen), Pektin, Beta-Glukane, Fructo-Oligosaccharide (FOS).
Sie unterstützen das Wachstum gesunder Darmbakterien, stabilisieren das Darmmilieu, fördern die Verdauung und können bei der Vorbeugung von Verdauungsstörungen helfen.
Weitere Einsatzmöglichkeiten
Präbiotika, Probiotika und die Transplantation von Fäkalienmikrobiota – Pferde fressen unter Umständen auch den Kot anderer Pferd – könnten in Zukunft als wertvolle Instrumente zur Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten wie Antibiotika-induzierter Kolitis eingesetzt werden. Aber Achtung: Studien zur Wirksamkeit von Probiotika beim Pferd liefern bisher uneinheitliche Ergebnisse.
Weitere Forschung ist notwendig, um die Funktionsweise des gesunden Mikrobioms, seine Veränderungen bei Krankheit und die Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus der Humanmedizin auf das Pferd besser zu verstehen.
Forschungslage
Die Studienlage zu Prä- und Probiotika bei Pferden ist nicht so umfangreich wie bei Menschen, jedoch gibt es einige relevante Forschungsergebnisse. Diese deuten darauf hin, dass Probiotika helfen können, die Darmgesundheit zu unterstützen, besonders bei Pferden mit Verdauungsproblemen. Insbesondere Lactobacillus– und Enterococcus-Arten zeigen positive Effekte bei der Stabilisierung der Darmflora.
Einige Studien zeigen, dass Probiotika bei Pferden helfen können, das Gleichgewicht der Darmflora zu fördern, Verdauungsstörungen vorzubeugen und die Futterverwertung zu verbessern. Allerdings sind die Effekte oft weniger deutlich als beim Menschen und variieren stark je nach individueller Darmflora, Fütterung und Haltungsbedingungen.
Kritikpunkte und Einschränkungen
Es gibt auch Kritik an der Verwendung von Prä- und Probiotika bei Pferden, weil die wissenschaftliche Evidenz noch lückenhaft ist. Die Darmflora von Pferden ist individuell und variiert je nach Fütterung und Haltungsbedingungen. Probiotika, die bei einem Pferd wirken, haben bei einem anderen möglicherweise keinen Effekt oder könnten sogar das Gleichgewicht stören.
Obwohl einige positive Ergebnisse vorliegen, sind viele Studien klein angelegt und nicht immer standardisiert. Langfristige Wirkungen und die beste Dosierung sind oft unklar, und es fehlen Studien, die die Effekte über einen längeren Zeitraum untersuchen.
Bei gesunden Pferden, die keine Verdauungsprobleme haben und ausgewogen gefüttert werden, ist der Nutzen von Prä- und Probiotika fraglich. Hier können sie wenig bewirken oder möglicherweise sogar zu einem Ungleichgewicht führen.
Fazit und Schlussfolgerungen
Obwohl Prä- und Probiotika für Pferde in der Theorie teilweise vielversprechend wirken, sollten sie nur gezielt und eher vorsichtig eingesetzt werden, besonders bei Pferden mit bestehender Problematik wie EMS oder Hufrehe. Für Pferde, die gesund sind und keine Verdauungsprobleme zeigen, ist ihr Einsatz möglicherweise weniger notwendig oder gar nicht sinnvoll.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Darmmikrobiom eine wichtige Rolle für die Gesundheit von Pferden spielt. Ein besseres Verständnis der Faktoren, die die Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms beeinflussen, ist wünschenswert, um Strategien zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten zu entwickeln.
Vorbeugend sowie zur Darmstabilisierung ist qualitativ hochwertiges Raufutter die wichtigste Basis zum Aufbau und Erhalt eines gesunden Mikrobioms. Dabei kann es sich neben geeignetem Heu auch um pferdegerechte Weidegräser handeln. Ein vielfältiges, anpassungsfähiges und stabiles Mikrobiom wird insbesondere durch eine große Nahrungsvielfalt gefördert. Insbesondere frische, natürliche Pflanzenbestandteile, die ausreichende Mengen an Vitalstoffen und Mineralien enthalten sind grundlegend.
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